Heilige Kümmernis |
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Begleitend
zu den
Sanierungsarbeiten möchten wir Ihnen die einzelnen Bilder und
Bilderzyklen vorstellen
und kurz darauf eingehen. Dies geschieht keineswegs mit
wissenschaftlichem
Anspruch, sondern lediglich aus dem Blickwinkel des aufmerksamen
Betrachters. „Ob Sankt Caritas, Comera, Cumerana,
Eutropia, Hilfe, Hulpe, Hülpe, Liberata, Liberatrix, Ontcomera,
Ontkommene,
Ontkommer, Gwer, Sankt Wilgefortis oder Sainte Affligée – gemeint war
immer die
heilige Kümmernis, eine ‚mythologische Volksheilige fraulicher Sorge
und
Abwehr‘. Mit diesem Namen wurde seit dem 15. Jahrhundert eine angeblich
‚selige
Jungfrau‘ bezeichnet. Der Name der nicht kanonisierten Volksheiligen,
deren
Legende aber Bestandteil des Martyrologium Romanum wurde, scheint in
wortspielerischer Form auf ihre besondere Hilfe bei Kummer und Not
hinzuweisen.
Redensartlich werden entsprechende Vergleiche gezogen: ‚Aussehen wie
die
heilige Kümmernis‘ oder ‚sein wie die heilige Kümmernis‘: sich um alles
kümmern, überall eingreifen, sich fremde Sorgen zu den eigenen machen. Wie
bereits erwähnt
befindet sich das Wandbild in einem nur noch schwer zu deutenden
Zustand.
Erkennbar ist der bärtige Ornat der Heiligen, Teile des Gewandes und
die
ausgebreiteten Arme am Kreuzbalken. Deutungen zu der die Darstellung
einbindenden Architektur sind nur noch schwer möglich. Am unteren
Bildrand
lassen sich rechts und links schemenhaft Stifterfiguren und mittig eine
Wappenkartusche erahnen. Grauschleier und weitere Verunreinigungen
trüben darüber
hinaus den Gesamteindruck. Die Entstehungszeiten der großen Jakobuslegende (um 1480) und des Bildnisses der heiligen Kümmernis (wohl aus der Mitte des 16. Jhs.) liegen zeitlich sehr nah beieinander, was den Schluss vermuten lässt, dass beide Wandbilder damals wie heute zusammen sichtbar waren. (Bei dieser Gegenüberstellung spielt die Darstellung der Jakobuslegende an der Brüstung der Chorempore aus dem 18. Jahrhundert keine Rolle, da die beiden zuvor genannten Wandbilder bzw. Zyklen zu deren Entstehung bereits im Rahmen umfangreicher Neugestaltungsarbeiten übermalt waren.) Nicht die Legende des jeweiligen Heiligen, sondern das wiederum als Sage oder Novelle angeführte Beispiel dessen Wundertätigkeit eröffnet die Gemeinsamkeit. Die St.-Jodok-Kirche war neben ihrer Funktion als Kirche für die Bevölkerung der Neustadt auch Kirche der St.-Jos-Bruderschaft. Deren Mitglieder, allesamt nachgewiesenermaßen ehemalige Pilger, hatten wenigstens eine Reise zu den damals bedeutenden Pilgerstätten Rom, Jerusalem, Sankt Jago de Compostella oder Aachen hinter sich gebracht. Reisen war im Mittelalter überaus gefährlich, und nicht wenige der Pilger bezahlten ihre Pilgerschaft mit dem Leben. Ursache des beispielhaft erfahrenen Unrechts war in beiden Fällen ein dem Reisenden unterstellter Diebstahl von Seiten einer ortsansässigen Person. Man darf diesen Umstand als Ermahnung verstehen, sich in der Fremde stets vorsichtig und besonnen zu verhalten. Auch wird dem Reisenden in beiden Fällen durch die Fürsprache des Heiligen ein Klima des Trostes und höherer Gerechtigkeit vermittelt. Mit Sicherheit waren den Menschen des Mittelalters die jeweiligen Legenden vertraut. Als Bestandteil des täglichen Lebens stand die Richtigkeit der jeweiligen Aussage außer Frage. Sie galten als Wahrheiten und wurden „geglaubt“. Wichtig war den Stiftern der Wandbilder sicherlich, darauf hinzuweisen, dass sowohl in Richtung Spanien als auch Rom die Gefahren durch die einheimische Bevölkerung nicht zu unterschätzen sei, was wiederum kein gutes Licht auf die Menschen warf, die von den Reisenden lebten. Recht oder Unrecht war oft eine Laune der Machtverhältnisse vor Ort und lokal geregelt. So kann man diese Wandbilder in der St.-Jodok-Kirche als praktischen Verhaltenskodex auf Reisen betrachten, auf dessen jeweiligen Umstand drastisch hingewiesen wurde, um unbeschadet ans Reiseziel zu gelangen. |
Wandbild der
Heiligen Kümmernis
Südwand, rechts unter der Chorempore |
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