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erkstatteinblicke
zur Restaurierung
der Figuren der Kreuzgruppe am Hochaltar 2010



 


Ein wesentlicher Aspekt der Konzertreihe St. Jodok ist das Zusammentragen der finanziellen Mittel, um den Kircheninnenraum wiederum in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Durch das Sammeln zahlreicher Spendengelder gelang es uns 2010, die Kreuzgruppe des Hochaltares in sachgerechter Weise zu restaurieren. Die Werkstatt Dr. Lorenzer & Heberle aus Überlingen führte diese Arbeiten nach modernsten restauratorischen- und konservatorischen Gesichtspunkten durch und gewährte einen Einblick in die Vorgehensweise dieser überaus sorgfältig zu handhabenden Arbeiten.

Herr Markus Heberle, ausgewiesener Fachmann speziell für die Restaurierung von Plastiken, ließ sich dabei über die Schulter blicken und beantwortete die an ihn gerichteten Fragen.

Herr Heberle, wie darf man sich die Vorgehensweise bei der Restaurierung der drei Plastiken vorstellen?
Nun, zunächst muss der vorhandene Bestand gesichert werden. Dies geschieht durch das Konsolidieren der gelösten Fassung auf der Oberfläche. Danach ist es zwingend nötig, die Figuren gegen den bereits stark fortgeschrittenen Schädlingsbefall zu behandeln. Der Holzschädling hatte an zahlreichen Stellen ganze Arbeit geleistet, das geschwächte Holz muss wieder verfestigt und vor neuerlichem Befall geschützt werden. Das Verleimen der Bruchteile im Holzkörper stellt den nächsten Arbeitsschritt dar. Einige Gliedmaßen und Gewandteile waren abgebrochen, jedoch noch erhalten geblieben und konnten – in alter Technik mit Knochenleim - wieder angebracht werden. In der Regel, so auch in diesem Fall, gehen einige Körperteile, speziell Finger oder Zehen, verloren und können ergänzt werden. Im nächsten Schritt werden die Fehlstellen der alten Fassung strukturstimmig gekittet, um wiederum später eine homogene Oberfläche zu erreichen.

Puh, das klingt nach sehr viel Vorarbeit, was man den Figuren später gar nicht mehr ansieht. Mit so „mal schnell ein wenig daran rumpinseln“ hat das ja wirklich nichts zu tun.
Nein, jedes Objekt verlangt Einfühlungsvermögen und einen Zeitaufwand, den man später in der Tat nicht mehr wahrnimmt.






Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde an der Oberfläche der Plastiken bis dato noch gar nichts gemacht.
Ja, das ist richtig. Bisher war das Beschriebene notwendige sogenannte konservatorische Arbeit. Die eigentliche Restaurierung der Figuren kann erst dann vorgenommen werden. Die Reduzierung späterer, verbräunter Überzüge sowie die Reinigung der alten Fassung, also der Farbe auf den Figuren, stellt die nächste Herausforderung dar.

Wieso?

Farben können sich im Laufe der Zeit verändern, frühere Restaurierungen hinterlassen Spuren; Überzüge, Firnisse verschmutzen….

Was bitteschön ist ein Firnis?
Ein Firnis ist ein Schutzüberzug, der die  eigentliche Farbe vor Verunreinigung wie Staub, Wachs oder auch tierischen Exkrementen schützt.

Gibt es da auch Unterschiede?
Das kann man so sagen. Ein Firnis kann aus einem Naturharz oder auch Schellacküberzug …

Wieder so ein Fachterminus
Ja, Schellack besteht aus dem Sekret einer speziellen Laus und wird in Lösungsmittel, Alkohol, gelöst und dann auf die Farbe aufgetragen. Durch die Einwirkungen des natürlichen Tageslichtes, speziell der UV- Strahlen und den Klimaschwankungen wird im Laufe der Zeit die Oberfläche porös, man spricht von der Oxidation des Überzugs. Dabei vergilbt der ursprüngliche Firnis oder krepiert – so bezeichnet man diese Schichtentrennung durch Lufteinschlüsse -und macht die darunter liegende Farbe "unansehnlich".
Je nach dem, ob die Figur  starkem Licht ausgesetzt war, können dem Licht zugewandte Körperpartien stärker als andere in Mitleidenschaft gezogen sein. Schön sieht man das hier an der Hand einer der Schächer: Die lichtgeschützte Handinnenseite weist noch die ganz ursprüngliche Farbigkeit auf, während die Farbigkeit des Inkarnats auf der Handaußenseite durch den verschmutzten Überzug verändert scheint. Dieser gealterte und verschmutzte Firnis wird nun im nächsten Schritt der Restaurierung soweit als notwendig und ohne Gefährdung der originalen Substanz abgenommen. Nach der Kittung der Schadstellen und Neuergänzungen sowie deren farbliche Anpassung – den Retuschen - wird ein neuerlicher Naturharzüberzug aufgetragen.





Wie muß man sich diesen Firnis vorstellen? Ist er klar, flüssig oder zäh?
Der Firnis ist flüssig, man trägt ihn seit jeher mit einem Pinsel oder Ballen auf. Heute legt man großen Wert darauf, dass die verwendeten Produkte wie Schellackblätter, Naturharze, Pigmente und Lösungsmittel als reine, also nicht verschnittene Produkte verarbeitet werden. Dadurch wird die Substanz und damit beispielsweise auch die ursprüngliche Farbigkeit der Fassung geschont. Die verwendeten hochwertigen Materialien müssen reversibel, d.h. jederzeit wieder abnehmbar sein, ohne die Originalsubstanz zu gefährden. Das war in der Vergangenheit allerdings nicht immer so. Auch aus der Not heraus wurden oft unbeständige und verschnittene Materialien verwendet. Jeder Fassmaler und Restaurator hatte da so seine individuellen Hausmittelchen. Heute sind solche Vorgehensweisen aus konservatorischer Sicht nicht mehr akzeptabel.

Wenn ich jetzt durch Ihre Ausführungen den Überblick nicht ganz verloren habe, sind wir nun wiederum an der Oberfläche der Plastiken angekommen und die eigentliche Arbeit ist somit abgeschlossen. Sagen Sie, gab es noch irgendwelche Besonderheiten bei der Restaurierung, irgendwelche Erkenntnisse, die man so nicht vermutet hätte?
Ja, wenn Sie so fragen, es gibt immer Besonderheiten wie hier der Kopf und die Dornenkrone des Christus.


Inwiefern?

Nun, in der Regel ist die Dornenkrone aus Hanf geflochten oder aus natürlichem Geäst gefertigt, in Leim getränkt und auf den Kopf aufgesetzt. Bei unserem Christus ist Krone und Kopf mit Korpus jedoch aus einem Stück geschnitzt. Ich konnte bei der Restaurierung keinerlei Ansatzspuren feststellen.

Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Es mag dies die individuelle Handschrift des Bildschnitzers gewesen sein. Die handwerkliche Arbeit ist jedenfalls äußerst schwierig und stellt wegen der filigranen Hinterschneidungen eine ganz besondere Herausforderung dar. Vielleicht wollte der Bildschnitzer eben keine "echte" Dornenkrone, sondern zeigen, dass er illusionistisch schnitzen konnte. Vielleicht handelte es sich auch um eine besondere Meisteranforderung innerhalb der Zunftregeln oder um etwas ganz Banales wie eine Wette oder sonst etwas ähnliches. Mir jedenfalls ist eine solche Umsetzung noch nicht begegnet. Eine wirklich beeindruckende Arbeit allerdings, wenn man berücksichtigt, dass die logische Flechtstruktur ebenfalls fehlerfrei nachempfunden wurde.





Sonst noch etwas?  Bluten die Figuren nicht etwas unnatürlich?
Die Gruppe ist auf der Rückseite der originalen Kreuzbalken mit der Jahreszahl 1798 versehen. Das Blut der Gliedmaßen und der Brustwunde verhält sich der Zeit entsprechend. Die verwandten Bluttrauben sind volkstümlich brav gearbeitet. Blutmuster und Symmetrie könnten in Anlehnung an gotische Vorbilder gefasst sein, aber mehr sollte man da nicht hineininterpretieren.





Was steht als nächstes bei der St. Jodokkirche zur Restaurierung an?
Derzeit habe ich den gesamten Hochaltaraufsatz, das Antependium, Johannes und Maria Magdalena, beide zur Kreuzgruppe zugehörig und den lebensgroßen Ecce Homo in der Werkstatt zur Konservierung und Restaurierung in Arbeit.
Und um den Besonderheiten bei meinen Beobachtungen noch einen draufzusetzen, kann ich von der Entdeckung der Signatur des Künstlers, bzw. des Kunstschreiners berichten: Im Inneren des Altaraufsatzes befinden sich Hohlräume, die offensichtlich seit der Herstellung noch nie geöffnet wurden. Aufgrund der progressiven Holzzerstörung war es diesmal unumgänglich diese zu öffnen, und so kam eine Inschrift mit Bleistift ausgeführt ans Tageslicht, die besagt, dass der Tabernakelschrein 1780 von einem Dillinger Künstler hergestellt wurde.

Vielen Dank für die erhellenden Ausführungen.

Das Gespräch wurde
von U. Köberle geführt





















































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